Betreff: Ihre Organspendeempfehlung, offene Mail
Von: michael@cluesmann.de
Datum: 25.06.2012 13:03
Sehr geehrte Frau Ruck-Schröder,
mit entsetzen mußte ich mir ihr ‚Wort zum Sonntag‘ (23.06.12) anhören. Sie vertreten eine Religion die fundamental auf dem Gedanken der Nächsenliebe beruht – und predigen eine Art spirituellen Egoismus? Lehrte uns nicht gerade Jesus durch seinen Kreuztod aus Barmherzigkeit auch seinen Leib zu geben?
Ein hirntoter Leib kann schwitzen, so wie ein toter Fisch springen kann wenn man ihn mit Salz einreibt. Natürlich ist Hirntod eine willkürliche Lebensgrenze, allerdings eine die nötig wird wenn man den Leib durch Geräte lebendig erhalten kann. Wollen Sie die Intensivmedizin verurteilen, mit der stündlich Leben gerettet werden? Können Sie in Sekunden entscheiden ob sie jemandem der gerade aus einem Autowrack geborgen wurde nach Ihrer Auffassung noch helfen dürfen?
Wollen Sie letztendlich den Einsatz der Erkenntnisfähigkeit verurteilen, die Gott nach Ihrem Glauben den Menschen unter Auflagen überlassen hat? Oder ist es nicht vielmehr eine Aufgabe, die uns damit gestellt wurde: diese Erkenntnisfähigkeit zum Besten zu nutzen?
Natürlich ergeben sich aus dieser Forderung für den Helfer Probleme in Bezug auf die Lebensqualität und Würde der Betroffenen. Dies ist ein ganz eigenes Thema, das nicht zuletzt auch das moralische Empfinden der beteiligten Helfer schwer belastet. Statt diesen Helfern Ihre moralische Unterstützung anzubieten, stellen Sie sie aber in Frage (und lassen sie damit schließlich im Stich).
Kurz: Eine Kirche oder Religion, welche sich offenbar dieser genannten Aufgabe durch den Verweis auf Gottes Allmacht entzieht läßt am Ende ausgerechnet jene im Stich, welche sich die tätige Barmherzigkeit zur Lebensaufgabe gemacht haben.
Ich habe dafür keinerlei Verständnis.
Mit freundlichem Gruß
M. Cluesmann