Es scheint wiedersinnig:
Ein Tagebuch, inbegriff privaten (meist sogar intimen) Schrifttums, im Internet, dem Inbegriff globaler Öffentlichkeit. Ein ähnlicher Spalt klafft zwischen der Bereitschaft sich bei BigBrother zu prostituieren und dem Bedürfnis nach „informationeller Selbstbestimmung“.
Oder doch nicht?
Ja, vermutlich sind die Kandidaten bei BB nicht auf der Klägerliste beim Verfassungsgericht, dennoch ist offenbar für den Einzelnen beides wichtig. Und das ist letztlich nicht so abwegig wie es aussieht.
Globalisierung scheint ein wirtschaflicher Prozeß zu sein, aber globale Wirtschaftsbeziehungen sind ein alter Hut. Die Globalisierung die heute stattfindet ist eine gesellschaftliche Entwicklung.
Grundlegend dafür ist die fortschreitende Individualisierung, welche es ermöglicht über lokale (familiäre und gesellschaftliche) Bindungen hinweg zu schauen. Dennoch bleiben (mehr oder weniger intime) Bindungen ein menschliches Bedürfnis denn sie verschaffen dem Individuum (durch das gebunden-sein beider Parteien) ein gewisses Maß an Bedeutung (Geltung). Also steht Big Brother in der langen Tradition der Jahrmärkte (sehen und gesehen werden). Für den Prozeß der Individualisierung ist jedoch andererseits ein gewisses Maß an Privatsphäre unabdingbar.
Zusammenfassung:
- hinter jedem Seelenstriptease steht noch eine Privatsphäre. Jedes individuelle Bewußtsein ist ab einem bestimmten Punkt nicht mehr mitteilbar.
- um sich als Entität empfinden zu können, ist ein mindestmaß an Öffentlichkeit unabdingbar. Das Einzelne definiert sich zwangsläufig als Teil einer Menge.
Ein Blog (oder Homepage oder Youtubevideo…) ist also der Versuch auf eine dargestellte Facette der Persönlichkeit eine Reaktion zu erhalten, um sich als Gegenstand einer Betrachtung empfinden zu können. In der Interaktion entsteht dabei ein abstrakter Aspekt von Gesellschaftsleben.
Vielleicht ist Globalisierung einfach eine Ausprägung der natürlich zunehmenden Komplexität von Leben?